Über 600 Personen nahmen am 26./27. Februar 2021 am GUTES GELD LAB teil - unsere allererste Veranstaltung in diesem Format! Worum es ging? Um das Thema "Gewinne". Denn Geld ist zwar allgegenwärtig, die globale Finanzwirtschaft jedoch für viele ein Buch mit sieben Siegeln. Mit einem vielseitigen Programm brachten wir Klarheit ins Finanz- und Wirtschaftssystem, hinterfragten es kritisch und beleuchteten mögliche Alternativen. Katie Gallus sorgte für eine schwungvolle Moderation, musikalische Untermalung gab es von der Band Raymores aus Madrid und Marte Kamzelas von calma sorgte für eine Achtsamkeitspause zwischen den vielen digitalen Inhalten.
Am ersten Tag des GUTES GELD LAB ging es um den Status quo: Wer spielt mit im großen Spiel um die schnellen Gewinne? In der verrückten Welt des Geldes werden Reiche immer reicher und andere immer ärmer. Vermögen und Schulden steigen. Kann das so weitergehen? Woher kommen die Gewinne, gibt es nachhaltige Alternativen und wieviel Wachstum verträgt eine Gesellschaft mit endlichen Ressourcen?
Graphic Recording: Die Illustratorin Neele Jacobi hielt unsere Veranstaltung per Live-Illustration in wunderbaren Bildern fest: Klickt auf das Bild, dann öffnet sich eine größere Ansicht.
Impulsvortrag von Prof. Dr. Niko Paech: "Ein Virus stellt die Wachstumsfrage" - in seinem Impulsvortrag sprach Prof. Dr. Niko Paech, einer der bekanntesten Vertreter der Postwachstumsökonomie, über Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit als eine Frage des Lebensstils:
"Was ich mir zuviel nehme in Mitteleuropa, das muss logischerweise (...) irgendwem fehlen."
Die Corona-Pandemie zeige ein Resilienzproblem unserer Gesellschaft auf, der Preis für unseren Wohlstand sei eine gestiegene soziale Fallhöhe. Niko Paech skizzierte die Bausteine der Postwachstumsökonomie und zeigte mögliche Transformationsszenarien auf: "Resiliente Systeme sind kleinräumig, genügsam, autonom, flexibel, vielfältig." Wer seinen spannenden Vortrag verpasst hat, kann hier die Videoaufzeichnung anschauen!
Anschließend sahen die Teilnehmer*innen den Dokumentarfilm OECONOMIA, ein Film über die Spielregeln des Kapitalismus und ein Film, der sichtbar macht, dass Gewinne auf der einen Seite nur möglich sind, wenn auf der anderen Seite die Verschuldung wächst. Nach 90 Kinominuten, die die Zuschauer*innen als "aufrüttelnd, verstörend und packend" empfanden, kam die Regisseurin Carmen Losmann selbst zu Wort:
"Was die Mechanismen der Selbstvermehrung des Kapitals für ökologische und soziale Folgen haben, darüber machen wir uns zu wenig Gedanken."
Es fehle Bildung und Aufklärung über wirtschaftliche Zusammenhänge. Ein Zustand, auf den sie mir ihrem Film aufmerksam machen will und den Oikonnect als Anlass genommen hat, beim GUTES GELD LAB Wissen und Perspektiven zu diesem Thema zusammenzutragen.
Fokus des zweiten Tages war die Frage nach Alternativen für eine nachhaltige Finanzwende.
Gerhard Schick formulierte das gegenwärtige Problem in seiner Session so: "Der Finanzmarkt ist kaputt. Er funktioniert nicht." Unser Ziel beim GUTES GELD LAB war es, Ideen, Projekte und Menschen vorzustellen, die diesen Finanzmarkt reparieren wollen. Verschiedene Organisationen und Akteure stellen ihre Ideen und Gedanken in interaktiven Sessions vor.
Auch an Tag 2 war Illustratorin Neele Jacobi dabei und fasste die Ergebnisse der Sessions zusammen: (klickt auf das Bild, dann öffnet sich eine größere Ansicht):
„Immer mehr Unternehmen suchen Rendite am Finanzmarkt, weil sie schneller realisiert werden als in der Realwirtschaft.“
Am Ende stehe die große Frage: Wie können wir die Politik beeinflussen, die Finanzmärkte und Unternehmen zu regulieren? Darauf gingen unterschiedliche Referent*innen in parallel laufenden Sessions ein: Daria Urman von der Purpose Stiftung erläuterte das Prinzip des Verantwortungseigentum als unternehmerische Alternative - dabei steht die Eigentümerstruktur von Unternehmen und deren Umgang mit Gewinnen im Fokus. „Gewinne sind wichtig, aber kein Selbstzweck, sondern Saatgut für die Zukunft.“ Das Ziel der Purpose Stiftung sei es, diese neue Rechtsform in die Politik einzubringen, denn „Gründer gründen nicht, weil sie unbedingt Geld verdienen wollen, sondern weil sie eine gute Idee haben.“ Klaus Stähle erklärte in seinem Vortrag über Unternehmen und Gewinne die Perspektive des Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft: Auch grüne Unternehmen müssen Gewinne machen, um Investitionen tätigen zu können.
„Wir brauchen neue ordnungspolitische Rahmenbedingungen, die nachhaltigen Unternehmen mehr Gewinne versprechen.“
Im interaktiven Vortrag von Johannes Schorling ging es um Ausbeutung im globalen Süden durch deutsche Konzerne, Gründe für ein Lieferkettengesetz, Gegenargumente bestimmter Lobbygruppen und die Vorstellung des derzeitigen Gesetzentwurfes. Das INKOTA-netzwerk setzt sich dafür ein, aus dem schwachen Entwurf der Bundesregierung ein starkes Lieferkettengesetz zu machen. Auch Kristina Rehbein von erlassjahr.de brachte eine globale Perspektive ein und diskutierte die Frage der Staatsverschuldung im Hinblick auf die Corona-Pandemie. Momentan fehlten 2,5 Billionen USD in den Ländern des globalen Südens, um die Sustainable Development Goals umzusetzen. Verfahren zur Bewältigung von Verschuldungskrisen seien sehr unübersichtlich, der IWF warne vor einem verlorenen Entwicklungsjahrzehnt. Kristina Rehbein:
„Wir müssen Politikbeschlüsse kritisch beobachten und sicherstellen, dass sich Fehler nicht wiederholen.“
Was kann die Zivilgesellschaft tun? „Die Bank gewinnt immer“ - so lautet das aktuelle Buch von Gerhard Schick, Mit-Initiator der Bürgerbewegung Finanzwende. In seiner Session ging es um Ideen für eine ökologische Finanzwende. Es seien grundlegende Veränderungen in der Bankenwelt notwendig, denn eine Risikosteuerung am Finanzmarkt funktioniere nicht und auch die Preise spiegelten die Klimarisiken nicht wider. Die Kurzfristigkeit des Aktienhandels berücksichtige die langfristige Dimension des Klimawandels nicht. Und welche Rolle spielt der Finanzmarkt in Bezug auf die globale Plastikverschmutzung? Dafür veranschaulichte Richard Buch den Dirty Profits Report Nr. 8 von Facing Finance. Eine politische Veränderung sei nötig:
„Wir können uns nur als Gesamtgesellschaft verändern, dafür müssen wir gemeinsame Schritte gehen mit Politik und Wirtschaft“.
Gewinne aus Sicht der Gemeinwohlökonomie (GWÖ): Joachim Langer und Walter Kern vertraten die Gemeinwohlökonomie und damit auch die Ansicht: „Kapitalismus ist nicht zwingend notwendig“. Sie betonten den notwendigen Wertewandel für eine ganzheitliche Transformation des Wirtschaftssystems und präsentierten Pionierunternehmen, die ihren wirtschaftlichen Erfolg nach der Gemeinwohlbilanz berechnen. Das Netzwerk Geld-Kompass Heidelberg, in persona Markus Duscha und Christian Röser, ging in seinem Workshop auf regionale Möglichkeiten des zivilgesellschaftlichen Engagements für eine nachhaltige Wirtschaft ein.
Inwiefern Veränderungsprozesse auch durch die Wahl der Geldanlage beeinflussbar sind und welche Rolle Gewinne dabei spielen, erläuterte Ging Ledesma von der internationalen Entwicklungsgenossenschaft Oikocredit. "We have a different perspective on profits compared to commercial banks, it is threefold: financial and social return taking into account ecological issues." Sie erklärte auch, warum Oikocredit nicht ohne Gewinne auskommt: "We need to be profitable to be sustainable and we use profits for Capacity Building." Welche Herausforderungen insbesondere bei einer ethischen Geldanlage bestehen, erklärte Silvia Winkler, Geschäftsführerin des Oikocredit Förderkreis Hessen-Pfalz. Dabei gehe es auch darum, Gedankenmuster zu verändern: Müssen Geldanlagen immer reich machen, oder ist es nicht ein viel größerer Gewinn, wenn GUTES GELD nachhaltig eine soziale Veränderung bewirkt? Diese Frage konnten die Teilnehmer*innen im Workshop von Laura Kromminga für sich selbst beantworten: Anhand der Methode der Selbstreflexion definierten sie mit Unterstützung der Beraterin für Impact Investment die Bedeutung wichtiger Probleme der Welt für sich selbst und erstellten eine eigene „Impact Themen Landkarte“.
Das "GUTES GELD LAB" hat als
Veranstaltungs- und Austauschplattform bestens funktioniert und zeigt, dass die Genossenschaft Oikocredit viel mehr bietet als "nur" eine ethische Geldanlage. Mit dem Projekt Oikonnect
möchten wir auf die Brisanz des Themas "Finanzwende" aufmerksam machen und bedanken uns herzlich bei allen Referent*innen, die ihre Perspektiven geteilt haben. Projektleiterin Katharina Welp
formulierte die nächsten Schritte, um weiter am Ball zu bleiben:
"Wir müssen mehr Wissen generieren, damit wir etwas tun können. Nur so können wir ins Handeln kommen und Druck ausüben."
Wir wollen weiter am Thema dranbleiben - ihr auch? Unter Veranstaltungen seht ihr, was wir als nächstes planen. Informiert bleiben könnt ihr auch über unsere LinkedIn-Gruppe oder unseren Telegram-Kanal. Wir freuen uns auf euch!